Top 50 Reiseberichte Liebe Freunde von Uwe und Andrea, Freunde des Segelns und Freunde von Erlebnisreisen, hier könnt Ihr mit einem Klick auf dieses Banner die Wertschätzung dieser Aktion bekunden.



Bremerhaven - Amsterdam ,Mai 2002

Der Bug gleitet geschmeidig durch die Wellen der Wesermündung. Wie oft dachte ich in den letzten Jahren an diesen Moment. Ich hatte allerdings nie einen Deutschen Hafen als Ausgangspunkt unserer Reise vorgesehen. Seit dem 15. Oktober 2001 beschäftige ich mich ausschließlich mit den Vorbereitungen für unsere Weltreise und der Traum wird endlich Realität. Beim Auslaufen aus Bremerhaven gehen mir viele Gedanken durch den Kopf. Dinge, an die ich während der letzten Monate auf Grund vieler Arbeiten am Boot gar nicht dachte. Gefühle wie vor einer Prüfung oder dem ersten Vorstellungsgespräch. Innere Unruhe und Ungewissheit setzen sich fest. Was wird uns erwarten? Hast Du auch wirklich an alles gedacht und sind wir optimal vorbereitet? Viele Fragen, deren Antworten wir in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren erhalten werden.

Andrea und ich liegen seit einer Woche startbereit in der Marina Nordsee-Yachting und studieren täglich viele Male die Ergebnisse der Bonito Wettersoftware. Ausschlafen, ausgiebig Frühstücken, den Tag gemütlich angehen gehört nach kurzer Eingewöhnungszeit an Bord schon zum Alltag. An das lockere Leben scheinen wir uns sehr schnell zu gewöhnen.
Die Spannung steigt, denn der Wetterbericht kündigt Östliche Winde in akzeptabler Windstärke an. Alles ist verzurrt und rutschfest gesichert, die Tanks sind voll, die Wegpunkte bis auf die offene Nordsee eingegeben und Sicherheitsleinen auf dem Deck gelegt.
5.00 Uhr - Der Wecker klingelt nach einer sehr kurzen Nacht. Klaas, der GF der Marina und Fotograf Oliver besuchten uns am letzten Abend, der feuchtfröhlich irgendwann um 2.00 Uhr endete.
Aspirin, Kaffee kochen, Frühstücken, Abwaschen und LEINEN LOS. Der Weg aus der Marina führt uns durch den Fischereihafen zur Doppelschleuse.
Das Wetter ist zumindest trocken und etwas wärmere Temperaturen als in den letzten Tagen sind vorausgesagt. Das neue Ölzeug in leuchtend gelb passt wie bei der Anprobe im Laden. Skiunterwäsche, Fliespulli, atmungsaktive Hightechfasern und Gummistiefel schützen uns in den nächsten Wochen vor Kälte und Feuchtigkeit.
Nach passieren der Schleuse erreichen wir nach kurzer Zeit bei ablaufendem Wasser und 4 Beaufort Wind 10 Knoten. 15°C und aufgelockerte Bewölkung mit gelegentlichen Sonnenstrahlen begleiten uns auf den ersten Meilen entlang der Nordseeküste.
Andrea beschäftigt sich sehr intensiv mit der Navigation, ich trimme die Segel und studiere die Fahreigenschaften unseres Schiffes. Der erste Tag auf See endet und die Nacht bricht herein. Bei achterlichen Winden lassen wir die Nordseeinseln an Backbord liegen. An Steuerbord sehen wir die Berufsschifffahrt im Verkehrtrennungsgebiet an uns vorbeirauschen. Die Nacht wird sehr anstrengend und ekelig kalt. Der Kampf mit der Müdigkeit beginnt nach Mitternacht und wir wechseln uns mit Ausguck halten und Navigation ab. Es ist schon was Wahres dran, wenn von der ungemütlichen Nordsee gesprochen wird. Zum Glück spielte das ruhige Wetter mit.

Am Vormittag ist die Einfahrt in die Waddenzee zwischen Terschelling und Ameland erreicht. Stolz auf unsere ersten 185 Seemeilen und erste Erfahrungen im Wattenmeer schleusen wir zum Abend ins Isselmeer. Um 20.00 Uhr legen wir total erschöpft vor der
Schleuse in Stavoren an. Auf die Schnelle noch ein paar Nudeln, ein Bierchen und endlich Schlafen. Der erste Törn hatte es in sich.

Wir verholen in die Marina Stavoren. Herrlicher Sonnenschein und T-Shirtwetter läuten Himmelfahrt ein. Der Verkehr auf dem Wasser gleicht vollen Autobahnen zur Urlaubszeit. Wir schauen uns das Treiben von Land an und verbringen den Tag im äußerst gemütlichen Örtchen Stavoren. Der Rundgang führt uns entlang des Innenhafens an niedlichen Häuschen und schmalen Kanälen vorbei. Innovative Häuser stehen auf dem Deich zum Isselmeer. Der Weg verläuft entlang dem begrüntem Deich, auf dem Schafe das Gras kurz halten. Zur Rechten die vielen Segler, zur Linken wunderschön angelegte Gärten, von Oben sommerliche Temperaturen.
Und ich trete natürlich voll in einen Haufen Schafscheiße. Na, wenn das kein Glück bringt. Wir stehen noch einige Zeit an der Schleuse, um dem Freizeitstress der Segler zuzuschauen. Einfach Wahnsinn, der Andrang und die Drängelei.
Der Höhepunkt des Tages ist der erste Sundowner auf unserer Inspiration. Bei Windstille und einem tollen Sonnenuntergang schmeckt es nach meeeeer.

Wir starten um 10.30 Uhr nach Enkhuizen. Die Fahrt über das Isselmeer beginnt wie der vorherige Tag. Nach wenigen Meilen stehen wir plötzlich im dichten Seenebel mit Sichtweiten von unter 50 Metern. Radar an und aufpassen. Das Problem liegt nicht bei uns die anderen Schiffe zu erkennen. Viele der kleinen Segelboote haben nämlich nicht einmal einen Radarreflektor und sind folglich auch nicht zu erkennen. Also motoren wir mit ständigen Signalen aus dem Typhon (Hupe). Antworten von anderen Booten lassen nicht lange auf sich warten. Die Signale sind einfach der Himmelsrichtung zuzuordnen
in der sich andere Boote befinden. Ich muss in dieser Situation an einem alten Spielfilm denken, der von Walfängern handelte. Ein Mann im Ausguck und einer mit der Tröte in der Hand. Zum Nachmittag löst sich der Nebel auf und wir freuen uns über die gelungene Passage als wir den Anker in Enkhuizen fallen lassen. Wir verbringen den restlichen Tag an Bord und beschließen Morgen das neue Dinghi zu testen.

Jeden Tag wird es morgens später. Heute kommen wir um 8.30 Uhr bei ungemütlichen Wetter aus den Federn und genießen ein üppiges Frühstück. Das neue Schlauchboot liegt zum Aufpumpen bereit an Deck. Nach zwei Stunden hängt endlich der 15 PS Motor am Heck unseres kleinen Powerboots und wirft blaue Auspuffgase aus. Langsam drehe ich am Gasgriff, mit kleiner Drehzahl nehmen wir Fahrt auf. Ich drehe weiter und spüre die Kraft des Motors bei schnell einsetzender Gleitfahrt. Mal kurz Vollgas geben &Mac246; einfach total geil wie es abgeht. Ich freue mich riesig über die Fahreigenschaften und habe eigentlich gar keine Lust auf einen Rundgang durch Enkhuizen. Dinghi fahren macht viel mehr Spaß. Lasse mich aber dann doch von Andrea zu einem kleinen Rundgang überzeugen. Der Hunger treibt uns in einen Fischimbiss. Wir bestellen frittierte Calamares und Kibbeling mit Pommes, als Nachtisch zur Verdauung der öligen Speisen eine Cola.
Nicht umsonst gehört Enkhuizen zu den beliebten Ausflugszielen Hollands&Mac246; wunderschöne, gepflegte Häuser mit super restaurierten Giebeln schmücken die verwinkelten Gassen. Kleine Kanäle durchstreifen die Stadt und führen fast parallel zu jeder Straße. Eigentlich hätten wir die Tour auch mit dem Dinghi machen können. Wieder auf der Inspiration macht uns eine undichte Stelle in der Wasserversorgung Sorgen. Einiges Wasser stand in der Bilge. Wir wischen die Feuchtigkeit aus und hoffen das Leck in einer der vielen Leitungen zu finden. Aber das Loch lässt sich nicht orten.
Also wird der Proviant wieder in der Bilge verstaut und die Reparatur verschoben.
Andrea hat zur Abwechslung mal Frühstück gemacht. Danach geht es zur ausgiebigen Stadttour nach Enkhuizen. Wir laufen durch einen sehr schön angelegten Park, in dem sehr viele laut kreischende Fischreiher Brutstätten in den Bäumen haben. Vor einem Denkmal sitzen einige Jugendliche und kiffen Ihren Sonntagnachmittagjoint. In einem Laden für Yachtzubehör wird eine neue Bilgenpumpe für den Segelraum erstanden. Am Nachmittag treffen wir wieder auf dem Boot ein und ich koche Rührei mit Tomaten und Schinken. Dann beginne ich mit meiner Lieblingsbeschäftigung &Mac246; Boot waschen und
abledern rundherum. Bevor wir dann das Beiboot verstauen drehe ich noch eine Runde.
Den schweren Außenborder (35 Kg) ziehen wir mit einer Talje am Baum hoch. Klappt schon ganz gut, unsere Technik muss aber noch verfeinert werden. Nach erledigter Arbeit sitzen wir bei Sonnenschein im Cockpit und genießen eine Flasche Rotwein. Eine kleine Segelyacht wirft nur unweit von uns den Anker. In der Nacht werden wir von dem auf Hochtouren laufendem Windgenerator wach. Wellen schlagen laut unter das Heck und Andrea verlegt ihren Schlafplatz in den Salon. Nein, nicht weil ich böse war, sondern wegen des Plätscherns am Heck. Ich schaue in der Koje sitzend aus dem
Seitenfenster und sehe die kleine Segelyacht sehr dicht neben uns schwojen. Sofort denke ich an einen Zusammenstoß mit den Folgen und springe aus der Koje. Im Salon liegt griffbereit der Megastrahler mit Superreichweite. Mit Blinklicht und Tönen aus dem Typhon wecke ich die Besatzung und bitte sie mehr Kette zu geben, damit sich der
Abstand zu uns vergrößert. Der Skipper der kleinen Yacht folgt meinem Drängen und ich ziehe mich beruhigt in den Niedergang zurück, um die Situation weiter zu beobachten. In meinen Augen hat der Mann absolut unfähig seinen Anker geschmissen,
denn die Bucht bot sehr viel Raum und er legte sich nur wenige Meter neben uns. Nach einer Stunde lege ich mich wieder hin und schlafe sehr langsam ein. Wir starten nach dem Frühstück zur Schleuse ins Markermeer, die sich nach langer Wartezeit endlich öffnet und wir einfahren können. Die vielen Boote, die mit uns aus der Schleuse kommen verlieren sich schnell auf dem großen Binnenmeer. Der anfänglich noch schwache Wind frischt bis auf 7 Beaufort (30 Knoten) auf der Strecke nach Amsterdam auf. Unter gereffter Genua segeln wir ca. 40 Seemeilen zur nächsten Schleuse in Amsterdam. Durchgeschleust motoren wir noch weitere zwei Meilen um im Sixhaven einen Platz am Steg für die nächsten Tage zu bekommen. Es handelt sich um einen Clubhafen, der besonders verkehrsgünstig zum Stadtzentrum liegt. Es ist sehr eng in dem kleinen Yachthafen und glücklicherweise sieht uns der Hafenmeister vor der Einfahrt kreisen. Eine Motoryacht verlegt und der Platz direkt hinter der Einfahrt ist für uns geräumt. Anlegen, Hafenmeister aufsuchen, Duschen anschauen und erst mal Essen gehen. Es sind nur wenige Meter bis zu einem kleinen Chinesischen Restaurant. Der Weg dorthin führt vorbei an einer Schleuse und einem Asylantenheim. Durch die Fenster sehen wir Etagenbetten und einige Farbige stehen gelangweilt vor der Tür und schauen uns hinterher. Das Essen beim Chinamann ist in Ordnung. Müde tapern wir zurück und fallen schnell in den Schlaf.
Leider hat sich das Wetter verschlechtert. Regengüsse und Starkwind machen es ungemütlich. Dementsprechend frühstücken wir erst um 12.00 Uhr. Ich will mich auf die Suche nach dem Leck in unserer Trinkwasserversorgung machen. Aber irgendwie bleibe ich einige Stunden vor dem Rechner sitzen und stelle die Fotos für diesen Bericht zusammen. Dann nehme ich aber doch noch die Bodenbretter hoch und stelle schon bald fest, dass das Wasser in der Bilge aus der vorderen Dusche stammt. Kein Problem, einige Nahtstellen müssen mit Sika abgedichtet werden. Zwischenzeitig ist kaum noch eine Wolke am Himmel zu sehen und wir nehmen die Gratisfähre über den breiten
Kanal zur Centralstation. Die Einstiege der Fähre sind für unsere Verhältnisse lustig beschriftet. Da gibt es einen für Fietser, Brumfietser und natürlich Fußgänger. Im Land der Radfahrer lernt man die Vokabeln sehr schnell. Der Weg über den Kanal dauert nur einige Minuten. Durch den Bahnhof laufend stoppen wir bei Pizzahut und nehmen ein Stück auf die Hand. Weiter geht es zum Anleger der Grachtenboote. Das bunte Treiben der Großstadt ist um uns herum. Menschen aller Nationen sind unterwegs. Mit vielen Amis und Asiaten sitzen wir im Grachtenflitzer und fahren die klassische Tour durch die Altstadt mit ihren wunderschönen Häusern. Uns fällt auf, dass kaum ältere Menschen auf den Straßen dieser Metropole zu sehen sind.

Drei Stunden später gibt es Spaghetti am Salontisch der Inspiration. Im Fernsehen spielt die drittklassige Deutsche Mannschaft gegen Wales. Mit der Vorstellung dürfte feststehen, die Hotelzimmer in Japan sind spätestens ab der zweiten Runde der WM wieder frei.

Ein Tag mit vielen neuen Eindrücken geht zu Ende und wir genießen die Vorstellung von mehr als 1000 Tagen Urlaub. Es fällt uns sehr schwer diese Zahl in eine Vorstellung umzusetzen, denn alle anderen Reisen endeten nach zwei oder drei Wochen. Über eines sind wir uns jedoch klar &Mac246; es geht uns sehr gut und das wissen wir zu schätzen.

Ein neuer Tag beginnt und die Proviantierung für den Törn nach England steht auf dem Programm. Es sind 10 Minuten zu Fuß zum Supermarkt. Mit Rolli und zwei Klappkisten schaffen wir die Lebensmittel an Bord. Bei herrlichem Sonnenschein erholen wir uns im Cockpit von den Strapazen des Einkaufens. Andrea räumt die Bilge voll und ich baue die neue Bilgenpumpe in den Segelraum. Freue mich schon den ganzen Tag auf das Fußballspiel Bayer gegen Madrid und stelle rechtzeitig die Satellitenschüssel auf. Ein Bild wie mit Kabelanschluss erscheint auf dem kleinen Fernseher im Salon. Leider fehlt Bayer der kleine Funken Glück, um den Titel zu gewinnen. Wir sind mal richtig früh aufgestanden &Mac246; schon um 8.30 fertig mit Frühstücken und die Waschmaschine in der Marina ist auch schon vollgestopft.

Copyright 2002 +++ bild & show - Günter Ludwig +++ E-Mail: bildundshow